Wiederladen für Anfänger
Jeder Wiederlader handelt eigenverantwortlich. Die gesetzlichen Bestimmungen sind einzuhalten.
Auf den folgenden Seiten möchte ich Ihnen zeigen, dass das Wiederladen von Munition nicht so kompliziert ist.
Der Hauptvorteil beim Wiederladen ist, dass man die Laborierung exakt an seine Waffe anpassen kann und dadurch eine höhere Präzision erreicht als bei Fabrikpatronen. Man muss nämlich die Munition an die Waffe anpassen, denn umgekehrt ist das ja nicht möglich.
Natürlich hat das Wiederladen auch finanzielle und logistische Vorteile. Man ist nicht mehr von teurer Munition abhängig, die von Los zu Los stark variieren kann und man hat auch die Möglichkeit kostengünstiger verschiedene Geschosse in seiner Waffe bzw. auf Wild zu testen.
Nicht zuletzt sollte man auch erwähnen, dass bis zu 50% der aufgewendeten Herstellungskosten in der Patronenhülse stecken und die abgefeuerte Patronenhülse zwischen 5x und 20x wiederverwendet werden kann.
Aber kommen wir zu unserem Wiederladebeispiel:
Hergestellt werden 5 Testpatronen für eine Custom Sauer 202 im Kaliber 8,5x63 mit dem AERO SB 338-230 Geschoss.
- Als erstes ermitteln wir die maximale Patronenlänge mit einer geschlitzten Hülse. Ergebniss: das Patronenlager lässt eine maximale Länge von 88,1mm zu. Die Patronen fertigen wir aber mit 87,6mm als Toleranzausgleich.
- Nachdem die Patronenlänge ermittelt ist, berechnen wir die Laborierung. Dafür verwendet man am Besten die Wiederladesoftware QuickLoad.
Da der rotationslose Geschossweg unter 1,5mm ist, wurde der Anfangsgasdruck auf 800 bar erhöht. Das ist wichtig sonst stimmt die Berechnung nicht und es wird ein zu geringer Gasdruck angezeigt. Als Pulver wurde das Vithavuori N550 verwendet - da lagernd und vom Abbrand passend.
Bei 57grain Lademenge / 97,5% Ladeverhältniss (achten Sie darauf immer über 80% zu bleiben) und 4190 bar (4300 bar = Maximum) erreicht diese Laborierung eine Mündungsgeschwindigkeit von 803 m/s bei 99,61% Abbrand im 65cm langen Lauf. Rein rechnerisch eine einwandfreie Laborierung - ob die auch gut schießt muss man probieren. Wenn nicht werden wir die Ladungsmenge etwas reduzieren, danach die Patronenlänge etwas reduzieren und bringt alles nix, wechselt man die Pulversorte - so geht man bei der Laborierungsentwicklung richtig vor.
Am Besten bewährt hat sich, 3-4x verschiedene Laborierungen mit 0,5 - 1grain Gewichtsunterschied. Je nach Waffentyp macht man dann je Laborierung ein 3, 5 oder 10 Schuss Schussbild und misst die Streukreise. - Der Arbeitsplatz für den Wiederlader.
Eine stabile, mit dem Boden verschraubte Arbeitsfläche ist sinnvoll - wenn man wenig Platz hat, kann man aber auch die Wiederladepresse mit einem stabilen Winkel an die Wand dübeln und das Pulverabwiegen- / füllen und Zündhütchensetzen auf dem Schreibtisch erledigen.
Weniger ist oft mehr: Hände weg von Komplettangeboten - kaufen Sie sich lieber gute und passende Einzelkomponenten.
Meine Empfehlung:
Eine stabile Stahl O-Rahmenpresse (wie z.B. die Lee Classic Cast oder RCBS Rockchucker). Eine Anschaffung für mehrere Generationen.
Eine gute elektronische Waage. Achten Sie hier darauf, dass die Waage eine Toleranz von +/-0,1grain ohne Gleiten erreicht. Richtig präzise Waagen mit guten Sensoren haben meist eine maximale Kapazität von 10 - 20gramm. Waagen mit 50 - 1000gramm Kapazität machen oft Probleme.
Ein volumetrischer Pulverfüller kann viel Zeit sparen. Damit er das kann, muss er präzise sein deshalb sollte man dabei nicht sparen. Forster und Redding haben sehr präzise Modelle. - Die abgeschossenen, leeren Hülsen müssen erst rekalibriert werden. Durch den hohen Gasdruck hat sich die Patronenhülse geweitet und an das Patronenlager angepasst - diese Verformung wird durch das rekalibrieren rückgängig gemacht - sprich: die Hülse wird in den Urzustand zurückgedrückt.
Damit die Hülse beim rekalibrieren nicht in der Matrize stecken bleibt, muss diese gefettet werden. Am einfachsten geht das mit einem Stück Schaumstoff das mit Fett eingerieben wird und auf dem die Hülse darübergerollt wird.
Man sollte darauf achten, nicht mehr Fett als nötig zu verwenden, da sonst die Hülsen Dellen bekommen. - Die Rekalibriermatrize wird von oben in den Rahmen der Wiederladepresse geschraubt. Normalerweise schraubt man die Matrize soweit rein, bis diese den Hülsenhalter berührt. Aber Achtung: lassen Sie erst einen kleinen Abstand und testen Sie den Verschlussabstand der rekalibrierten Hülse in Ihrem Patronenlager sonst haben Sie u.U. einen zu großen Verschlussabstand.
- Den Verschlussabstand der rekalibrierten Hülse kann man auf zwei Arten überprüfen.
Man kann die rekalibrierte Hülse in eine Lehre stecken (siehe Bild) und kontrollieren ob die Hülse leicht reinpasst. Auch darf die Hülse nicht zu tief in der Lehre verschwinden (das wäre der Verschlussabstand). 0,05 - 0,1mm Unterstand sind perfekt. Bis 0,3mm ist es akzeptabel - darüber muss man auf jedenfall die Wiederladematrize etwas rausschrauben da ein erhöhter Verschlussabstand Überdruckanzeichen erzeugt und der Verschluss schwer aufgehen kann und unter Umständen die Hülse reißt.
Hat man keine Lehre zur Hand, schiebt man die Patronenhülse in das Lager der Waffe und schließt den Verschluss. Funktioniert das einwandfrei, klebt man ein mit Fett bestrichenes Papierblättchen auf
den Stoßboden des Verschlusses und schließt den Verschluss erneut. Das macht man so lange, bis man beim Schließen des Verschlusses einen Wiederstand merkt und nun misst man die Dicke des Papierstreifenpakets ab. - Wie vorher schon erwähnt, erreicht man den idealen Geschossitz wenn der Hülsenmund Innenaufweiter der Rekalibriermatrize ca. 0,03 - 0,05mm kleiner ist als der Geschossdurchmesser. Gemessen wird sowas mit einer normalen Bügelmessschraube - elektronische Messschieber sind für das präzise Messen weniger gut
geeignet.
Das Messergebniss:
AERO Geschossdurchmesser: 8,585mm
Hülsenmund Innenaufweiter: 8,555mm
Der Innenaufweiter ist exakt 0,03mm kleiner - also passts perfekt.
Messen Sie das bei jeder neuen Matrize nach - es gibt oft deutliche Herstellertoleranzen die zu einem ungenügenden Geschossitz führen können. - Nach dem rekalibrieren muss die Hülse vom Fett befreit werden. Einfach mit einem Lappen abwischen - das reicht. Wollen Sie optisch ansprechende Hülsen haben können Sie die rekalibrierten Hülsen auch in einen Tumbler werfen. In diesem Gerät wird die Hülse mit Poliergranulat (Mais oder Walnussschalengranulat) blitz blank poliert. Auch Ultraschallreinigungsgeräte leisten gute Dienste.
Achtung: die Länge der Patronenhülse muss nach dem rekalibrieren gemessen und mit den zulässigen CIP Maximalmaß verglichen werden. Ist die Hülse zu lang, muss diese getrimmt werden. Schulterhülsen längen sich bei jedem schießen etwas, deshalb muss die Länge regelmäßig gemessen und reguliert werden.
Die fettfreie Hülse muss nun für das Verladen vorbereitet werden (siehe Bild).
- das Zündloch wird von Pulverschmauch gereinigt
- der Hülsenmund entgratet
- der Hülsenmund innen mit einer Bürste gereinigt - Nun wird das Zündhütchen gesetzt. Diesen Arbeitsschritt kann man mit der Wiederladepresse durchführen (die Werkzeuge dafür sind bei jeder Presse dabei) - ich empfehle jedoch ein Handsetzgerät - das ist viel bequemer. Hornady hat ein tolles Gerät bei dem man die Hülsenhalter der Presse nutzen kann - das erspart Zusatzwerkzeuge. Das tellerförmige Reservour des Handsetzgerätes fasst ca. 200 Zündhütchen die sich beim befüllen durch rütteln des Handsetzgerätes selbst aufrichten - auch praktisch. Zusätzlich vermeidet man mit diesem Werkzeug auch jegliche Kontamination der Zündhütchen mit Öl oder sonstigen Flüssigkeiten.
- Beim Pulver abwiegen und abfüllen ist größte Aufmerksamkeit geboten. Schreiben Sie sich die Pulversorte und Ladungsmenge auf einen Zettel den Sie neben die Waage legen - das vermeidet Fehler bei Ablenkungen. Ich empfehle dringend, dass sich nur das zu verladende Pulver in der Nähe befindet.
Das Pulver wurde in einen blauen Verschluss einer Farbdose gefüllt - ein praktisches und kostenloses Zubehör.
Mit dem passenden Löffel (gelb), die es vom Hersteller Lee in verschiedenen Volumen gibt, dosiert man die richtige Pulvermenge in die Waagschale. Man sollte auf eine möglichst gleichmäßige Ladungsmenge achten und eine Toleranz von +/- 0,2grain einhalten / die meisten Wiederlader streben aber einer Toleranz von +/- 0,1grain an - wenn man schon jede Ladung abwiegt, sollte man es auch genau machen.
Ladet man eine sehr große Menge an Munition wird das Pulver meist nicht abgewogen sondern nur volumetrisch mit dem Pulverfüller dosiert und durch Stichprobenmessungen kontrolliert. Dabei sollte man auf eine Gewichtstoleranz von ca. +/- 5 Promille achten was auch von hochwertigen Pulverfüllern erreicht wird. - Praktisch: die Waagschale hat einem angeformten Trichter - somit kann das Pulver direkt in die Hülse gefüllt werden.
- Zum Schluss wird das Geschoss in die Hülse gepresst. Dafür wird die Setzmatrize in die Ladepresse geschraubt und muss exakt justiert werden.
Die Patronenlänge misst man mit dem Messchieber. - Die Testpatronen sind fertig. Den Geschossrundlauf habe ich spaßhalber nachgemessen: die Messuhr ergab einen maximalen Ausschlag von 0,1mm - das passt. Von Redding und Forster gibt es präzise Setzmatrizen mit gefederten Führungen - die schaffen die halbe Toleranz. Für hochpräzise Patronen empfehle ich diese.
Wie Sie gesehen haben: Wiederladen ist nicht schwer.